Was sind Fertility & Family Building Benefits und wer bietet sie an?
Fertility & Family Building Benefits sind Arbeitgeberzusatzleistungen, die darauf abzielen, die eigenen Mitarbeitenden auf dem Weg zum Wunschkind oder zur Familiengründung zu unterstützen. Die Leistungen umfassen dabei typischerweise die Übernahme der Kosten von Kinderwunschbehandlungen, sowie die Bereitstellung eines Beratungs- und Betreuungsdienstes bei dem Kinderwunschberater*innen die Mitarbeitenden bei der Klinikauswahl beraten und im Verlauf des Prozesses begleiten.
Fertility & Family Building Benefits sind in den USA bereits weit verbreitet und zählen dort zum Standard-Angebot der Mitarbeiterzusatzleistungen vieler Unternehmen. Es sind nicht (mehr) nur die Tech Giants Apple, Google und Facebook, die diese Zusatzleistung anbieten. Einer Studie von Mercer zufolge boten 2021 insgesamt 47% aller US-Unternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitenden Fertility & Family Building Benefits an.
Manche Unternehmen übernehmen zudem die Kosten weiterer Leistungen wie beispielsweise Samenspende, Medikamente oder Dienstleistungen rund um eine Adoption. Im Jahr 2021 übernahmen oder bezuschussten 21% der großen Unternehmen zudem das vorsorgliche Einfrieren von Eizellen (das sogenannte Social Freezing) für ihre weiblichen Mitarbeiterinnen.
Die Verbreitung von Fertility Benefits hat infolge der angespannten Lage am Arbeitsmarkt noch einmal deutlich zugenommen. „Employer fertility benefits are on the rise amid the Great Resignation“ überschrieb MSNBC Online einen Artikel im Juni 2022. Laut einer kürzlich veröffentlichten Studie von FertilityIQ stieg die Anzahl der großen Unternehmen, die Fertility Benefits anbieten, im Jahr 2021 noch mal um 8% gegenüber dem Vorjahr.
Doch nicht nur in den USA nimmt die Verbreitung von Fertility Benefits zu, auch in Kanada und in Großbritannien unterstützen immer mehr Arbeitgeber ihre Mitarbeitenden bei der Erfüllung des eigenen Kinderwunsches. Banken wie NatWest, Anwaltskanzleien wie Clifford Chance und der Energieanbieter Centrica sind nur ein paar der Unternehmen, die in den letzten Jahren Fertility Benefits in Großbritannien eingeführt haben. Inzwischen unterstützen 17% der britischen Unternehmen ihre Mitarbeitenden bei unerfülltem Kinderwunsch durch Fertility & Family Building Benefits. In einer im März 2022 von der Webseite employeebenefits.co.uk veröffentlichten Umfrage gaben 67% der befragten Arbeitgeber in Großbritannien an, entweder bereits Fertility Benefits anzubieten oder die Einführung in Erwägung zu ziehen.
Sind Fertility Benefits auch in der Deutschland relevant?
Ja, definitiv!
Das Gesundheitssystem ist in Deutschland ein anders als in den USA. In Deutschland übernehmen Krankenkassen für manche Kinderwunschpatient*innen für manche Behandlungen 50% für eine begrenzte Anzahl Behandlungen. Aber: dies gilt nur wenn man jung (Frau unter 40, Mann unter 50), verheiratet und hetero ist. Viele medizinisch sinnvolle Behandlungen wie Blastozystenkultur oder Kryokonservierung von Embryos werden zudem in der Regel nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Samenspenden, das vorsorgliche Einfrieren von Eizellen oder die Behandlung von unverheirateten Frauen oder Paaren stehen ebenfalls nicht im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen. Zudem ist die Kostenübernahme dann in der Regel ohnehin auf 50% für maximal 3 Versuche begrenzt.
Die Konsequenz: viele ungewollt Kinderlose haben einen erheblichen Eigenanteil an den Kosten einer Kinderwunschbehandlung zu tragen, der schnell in die Zehntausende gehen kann.
Zu den finanziellen Herausforderungen kommen emotionale, physische und zeitliche Belastungen. Durch die Bereitstellung eines Beratungs- und Betreuungsdienstes im Rahmen von Fertility & Family Building Benefits können Unternehmen ihre betroffenen Mitarbeitenden zumindest bei den emotionalen und den zeitlichen Herausforderungen unterstützen. Geschulte Kinderwunschberater*innen und Coaches können bestens bei der Informationssuche helfen und den Kinderwunschpatient*innen mit fachlichem und emotionalem Rat zur Seite stehen.
In Summe lässt sich sagen, dass die Ausgangssituation für ungewollt Kinderlose in Deutschland zwar leicht anders sein mag als in den USA oder anderen Ländern, viele der fundamentalen Herausforderungen für Betroffene sind aber die gleichen. Der große Nutzen von Fertility & Family Building Benefits für Kinderwunschpatient*innen besteht in Deutschland ebenso wie in anderen Ländern.
Die ersten Unternehmen haben auch in Deutschland die Vorteile von Fertility & Family Building Benefits erkannt. Im Juni 2023 verkündete die Unternehmensberatung Kearney, dass sie künftig alle Mitarbeitenden bei den Kosten von Kinderwunschbehandlungen oder Adoptionen mit bis zu €40.000 unterstützt. Im September 2023 verkündete das Pharma-Unternehmen Merck als erster DAX-Konzern, seine Mitarbeitenden mit Fertility Benefits auch finanziell zu unterstützen. Die Medienreaktion hierauf war ausgesprochen positiv, was auch entscheidend dazu beigetragen hat, dass das Konzept inzwischen auch in Deutschland immer bekannter wird.
Warum sollten Unternehmen Fertility & Family Building Benefits anbieten?
Das Angebot von Fertility & Family Building Benefits hat für Unternehmen drei wesentliche Vorteile, die alle ganz klar im Eigeninteresse von Unternehmen liegen.
- Unternehmen zahlen einen Preis, wenn sie keine Unterstützung anbieten
Es wäre ein Fehler zu glauben, dass die „Nichtunterstützung“ von MitarbeiterInnen bei unerfülltem Kinderwunsch, keinen Preis hat. Ein unerfüllter Kinderwunsch wirkt sich stark auf die Motivation und die Produktivität von Mitarbeitenden aus. Einer BMFSFJ Studie zufolge machen 63% der Betroffenen den Stress bei der Arbeit für ihre ungewollte Kinderlosigkeit mit verantwortlich und sind weniger motiviert. Wenn ungewollt Kinderlose während einer Kinderwunschbehandlung keine ausreichende Unterstützung vom Arbeitgeber erfahren, kommt es nicht selten vor, dass sie den Beruf und die Karriere aufgeben, um sich auf den Kinderwunsch zu fokussieren. Einer britischen Studie nach kündigen 12% der Frauen während einer Kinderwunschbehandlung ihren Job wegen fehlender Vereinbarkeit, weitere 14% reduzieren ihre Arbeitszeit. Durch Fertility & Family Building Benefits können die negativen Effekte etwas abgefedert werden und Kinderwunschpatient*innen kommen schneller an ihr Ziel, was auch im Interesse des Arbeitgebers liegt.
- Verbesserte Mitarbeiterbindung und Loyalität
Unterstützt ein Arbeitgeber seine MitarbeiterInnen in schwierigen Lebenssituationen, so wirkt sich das positiv auf Zufriedenheit, Loyalität und Mitarbeiterbindung aus. Einer Umfrage von FertilityIQ zufolge sind Mitarbeitende, die durch Fertility Benefits unterstützt wurden, loyaler und motivierter (61%), dankbarer (42%) und länger bei ihrem Arbeitgeber geblieben (53%). Zudem sind 88% der Frauen nach der Elternzeit wieder zu ihrem alten Arbeitgeber zurückgekehrt. In Zeiten in denen Unternehmen versuchen, Mitarbeiterbindung zu verbessern, kann das Angebot von Fertility & Family Building Benefits einen entscheidenden Beitrag leisten, insbesondere wenn es darum geht, Frauen in der „Rush Hour des Lebens“ nicht zu verlieren.
- Bessere Positionierung im kompetitiven Recruiting-Markt
Die Anforderungen an Arbeitgeber haben sich geändert – nicht nur infolge der Pandemie, aber sicher auch durch sie beeinflusst. Eine kürzlich veröffentlichte Studie von Personio zeigt, dass Mitarbeiter*innen mehr Wert darauf legen, dass ihr Arbeitgeber familienfreundlich und flexibel ist, und dass er sich um das Wohlergehen des Einzelnen kümmert. Ähnliches geht aus einer Studie des BMFSFJ hervor, wonach für 90% der Angestellten die Familienfreundlichkeit des Arbeitgebers mindestens genauso wichtig ist wie dessen Familienfreundlichkeit. Fertility & Family Building Benefits können in einem kompetitiven Recruiting-Markt eine entscheidende Differenzierung bieten. Sie sind ein Zeichen einer modernen und inklusiven Unternehmenskultur. Unternehmen können sich so auch als familien-freundlicher Arbeitgeber positionieren.
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